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Geschichte der Musterschule: Fehdeerklärung

Im Rahmen des Unterrichts ist der Geschichts-LK tief ins Stadtarchiv abgetaucht, um sich mit der Geschichte der Musterschule in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu beschäftigen. Zu Tage getreten sind dabei einige archivarische Schätze, wie z.B. diese beiden Fehdeerklärungen. Hier erklärt eine Gruppe Schüler (die Musterschule war zu diesem Zeitpunkt eine reine Jungenschule) eine anderen Gruppe offiziellen Streit und den Zeitpunkt, diesen – wohl körperlich – auszutragen:

 

Transkript:

Wir / Schüler der Obertertia der Musterschule zu Frankfurt am Maine / haben beschlossen / Euch / Herren der Unterprima der Musterschule die Fehde anzusagen. Ihr habt euch vor dem Blutgericht zu verantworten. Die Fehde wird im Parke ausgetragen. Die Fehde ist angesagt gegen die Herren:

[acht Namen]

Gegeben im Ährenmond. Am XIV. Tage. Anno Domini 1922. [=14.8.1922]

[siebzehn Unterschriften]

Diese beiden außergewöhnlichen Dokumente, die eine Recherche im Frankfurter Institut für Stadtgeschichte zu Tage gefördert hat, illustrieren zwei ebenso außergewöhnliche Vorgänge an der Musterschule. Es handelt sich dabei um Fehdebriefe, die einen Streit – ob einen tatsächlichen oder einen gespielten bleibt unklar – zwischen zwei Schülergruppen dokumentieren.

Bemerkenswert ist neben der bloßen Existenz, bzw. Erhaltung dieser Quellen, die mit viel Aufwand und Liebe zum Detail erstellt wurden –  was neben Papierqualität und Handschrift auch die aufwändig gestalteten Siegel verdeutlichen – beim Ausstellungsstück I vom 14. August 1922 zum einen der Altersunterschied der Fehdeparteien: eine größere Gruppe 9. Klässler (= Obertertia) erklärt eine Fehde gegen eine Gruppe von fünf 12. Klässlern (= Unterprima), unter denen sich auch ein Musterschüler von einer gewissen späteren Berühmheit in der Wissenschaft befindet, der im Jahr 1924 sein Abitur an der Musterschule ablegte. (pssst.. es ist gewisser Herr Abendroth!)

Zum anderen fällt auf, dass die Schüler (die Musterschule war damals eine reine Jungenschule) auch das Format der Fehdeschrift beherrschten und hier zur Anwendung brachten. Wahrscheinlich kannten die Schüler Fehden aus dem Literatur- und Geschichtsunterricht. So musste die Fehde durch ein formelles Ansageschreiben, den Fehdebrief (auch Widersage, dissipatio), angekündigt werden. Ob auch der gebotene Abstand von drei Tagen eingehalten wurde, ist wegen der fehlenden Datierung des Briefes aber nicht nachzuvollziehen. Als Begründung für eine Fehde galten im Mittelalter und der Frühen Neuzeit etwa Besitzstreitigkeiten, Handgreiflichkeiten, Sachbeschädigungen oder Beleidigungen, bei denen eine Abbitte zur Genugtuung nicht ausreichte – auf niedrigerem Niveau als im mittelalterlichen Reichsrecht angedacht durchaus denkbare Anlässe im Streit zwischen Schülergruppen.

Mit dem Begriff des „Blutgerichts“ haben die Jungen aber etwas hochgegriffen. Die Blutsgerichtbarkeit bezeichnte im Heiligen Römischen Reich die sogenannte „peinliche“, das heißt strafende, Gerichtsbarkeit, die körperliche, sogenannte blutige Strafen bis hin zur Todesstrafe verhängen konnte und nur bei bestimmten Straftaten Anwendung fand. Bei Straftaten wie Beleidigungen oder Raufereien blieben die niederen Gerichte zuständig, die nur auf Geldbußen, Gefängnishaft, Ehrlosigkeit oder Verbannung erkennen durften. Vermutlich ist der Begriff „Blutgericht“ hier ein Hinweis, dass es im „Parke“ zu Handgreiflichkeiten bzw. einer Prügelei kommen sollte.

Im Hinblick auf die 1930er Jahre hat auch das Vorhandensein sowohl jüdischer als auch deutscher Namen bei beiden Fehdeparteien einen Aussagewert. So zeigt die Fehdeerklärung deutlich, dass Konfliktlinien und Rivalitäten in den 1920ern nicht entlang kulturell-religiöser Linien verliefen. Solche Tendenzen zeigen sich auch an der Musterschule erst nach 1933. Stattdessen scheint es sich hierbei um einen Konflikt zwischen zwei Klassen oder Klassenstufen zu handeln (sofern die Erklärung nicht einer spielerischen Auseinandersetzung entspringt).

Bei der Fehdeerklärung aus dem Jahr 1924 (Ausstellungsstück II) hat die ausstellende Fehdepartei hingegen auf viele Informationen verzichtet. So finden sich hier keine Adressaten sondern nur die Namen der Erklärenden, auch ein Datum fehlt. Allerdings fällt sofort das kunstvoll gestaltete Siegel auf, das sogar das Exemplar von 1922 verblassen lässt.

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