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Bericht zur Auschwitz Fahrt vom 14. – 18. August 2019

Wenn man eine Kursfahrt nach Auschwitz macht, wird einem im Vorhinein klar, dass es sich nicht um eine normale Kurs- bzw. Klassenfahrt handelt. Es ist nicht vergleichbar mit Austausch-Fahrten in der Mittelstufe oder der Berlinfahrt in der E-Phase. Man fährt schließlich nach Auschwitz. Und die Mischung aus Neugier, gedämpfter Furcht und Unsicherheit, die man im Vorfeld empfindet, lässt sich schwer beschreiben.

Am Mittwochabend treffen wir uns, bewaffnet mit Kissen und Decken, zur 12 stündigen Busfahrt. Es wird gespielt, genascht, gelacht und ja – sogar die ein oder andere Stunde geschlafen. Für viele ist der Blick aus dem Fenster auf die neblige polnische Landschaft am Morgen der erste und je näher wir Oswiecim kommen, desto häufiger schleichen sich Fragen wie: „Wer hat wohl früher in diesen Häusern gewohnt?“ in unsere Köpfe und so versuchen wir, in der Umgebung Hinweise auf die schreckliche Vergangenheit zu erkennen. Während wir dann den Ausblick mit verschiedenen bekannten Orten assoziieren (mal sieht es ein bisschen aus wie Italien, dann könnte es auch eine Kleinstadt in Deutschland sein) tut sich die Frage auf, was wir eigentlich mit Polen assoziieren oder: Was Polen ist.

Beim Frühstück in der Jugendbegegnungsstätte wird beim Kaffee mehrfach nachgeschenkt, die Fahrt war lang und der Schlaf zu kurz. Wir lernen Saskia kennen, die uns auf unserer Fahrt begleitet und bei Fragen zur Seite steht.

Der erste Programmpunkt ist eine Stadtführung, je tiefer wir in den Ort laufen desto weiter schreiten wir voran zur Gegenwart, bis wir schließlich auf dem ehemaligen „Adolf-Hitler-Platz“ stehen und auf die Platzmitte schauen, wo bis vor wenigen Jahren noch ein Bunker stand. Dann geht es zu einem Museum, in dem wir uns über die jüdische Gemeinde in Oswiecim vor dem zweiten Weltkrieg informieren.

Am frühen Nachmittag machen wir uns auf den Fußweg zu Auschwitz I, dem Stammlager, das von polnischen Häftlingen ab 1940 auf dem Gelände einer ehemaligen Militärbasis errichtet wurde. Die Strecke zwischen der Begegnungsstätte und dem Stammlager liegt im ehemaligen „Interessensgebiet des Lagers“, in dem keine Menschen wohnen durften und bestehende Häuser abgerissen und deren Steine für den Bau weiterer Baracken benutzt wurden. Die vier Stunden Führung über das Gelände ist für die meisten von uns der Beginn einer, immer wieder durch Phasen der Abschottung und Taubheit unterbrochenen Konfrontation mit einer Flut von Eindrücken und Emotionen, die schwer in Worten zu transportieren sind.

Die Erschöpfung im Nachhinein ist mehr als greifbar und äußert sich teils durch banale Gesprächsthemen über die Zukunft nach dem Abi oder den Alltag und teils durch betretenes Schweigen.

Am zweiten Tag besuchen wir vormittags die Kunstausstellung von Marian Kołodziej, einem ehemaligen Häftling aus Auschwitz. Die Art, wie sich in seinen Werken das unfassbare Leid widerspiegelt, geht vielen sehr Nahe und die Eindrücke begleiten uns bis in die Führung durch das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Die langen Wege, die wir dort zwischen den Ruinen der Krematorien und Gedenksteinen der Opfer zurücklegen, führen uns das Ausmaß der Ereignisse vor Augen und von den Weiten des Gebiets aber auch der unmittelbaren Nähe des Geschehenen erschlagen, wird es immer schwerer, Gesehenes zu verarbeiten und einzuordnen.

Entsprechend intensiv gestalten sich die abendlichen Reflexionsrunden, in denen wir die Möglichkeit haben, das Erfasste zu Teilen oder sich in den Gedanken der anderen wiederzufinden. Immer wieder fallen Stichworte wie Individuum und Menschlichkeit und auch Aspekte wie Unverständnis und Verantwortung werden häufig aufgeworfen.

Samstag ist unser letzter Tag in Oswiecim und bietet noch einmal die Möglichkeit, sich individuell mit den Ausstellungen im Stammlager auseinander zu setzen, was eine toller Weg ist, um sich den eigenen Fragen und Anregungen im selbst gewählten Tempo und mit nötigem Abstand zu nähern.

Obwohl wir alle bereits am Mittag das Gefühl hatten, unsere Kapazitätsgrenze erreicht und womöglich bereits überschritten zu haben, können wir durch die Ausstellungen sowie dem anschließenden Workshop in der Jugendbegegnungsstätte einige Gedanken ordnen und uns einem Punkt nähern, an dem wir anderen von dem Erlebten schildern und die Eindrücke weitertransportierten können.

Elif Gültekin Q3

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