Interview
„Mischt euch ein, schweigt nicht!“
C.S.: Haben die Nationalsozialisten Sie je an Ihrer Religion zweifeln lassen?
E.Sz.: Nein, die Nationalsozialisten haben es nicht geschafft, dass ich je an meiner Religion gezweifelt habe.
C.S.: Wenn Sie jetzt Ihrem jüngeren Ich begegnen würden, was würden Sie ihm raten?
E.Sz.: Wenn ich jetzt meinem jüngeren Ich begegnen würde, würde ich es bitten, meine Mutter zu fragen, warum sie und mein kleiner Bruder Tamás nicht sofort gemeinsam mit mir auf die Flucht gegangen sind. Was wusste sie von der schlimmen Zeit damals, dass sie mich auf die Flucht geschickt hat?
C.S.: Selbst im jetzigen Deutschland gibt es rechtsradikale Parteien. Fühlt es sich an wie damals?
E.Sz.: Der Holocaust begann damals nicht mit Auschwitz, sondern mit dem Schweigen der Gesellschaft. Es macht mir Sorgen, dass auch jetzt viel zu viele schweigen. Deshalb: Mischt euch ein, schweigt nicht!
C.S.: Haben Sie mit dem Holocaust abgeschlossen?
E.Sz.: Ich werde nie mit dem Holocaust abschließen können. Es wird mich ein Leben lang begleiten. Natürlich ist es schwer für mich, darüber zu sprechen, aber ich spreche für alle, die nicht mehr sprechen können. Es ist wichtig für mich, über die Zeit der Shoah aufzuklären, damit es nie wieder passiert.
C.S.: Als der Krieg auf seinem Höhepunkt war, hatten Sie da immer noch Hoffnung, dass er irgendwann zu Ende gehen würde?
E.Sz.: Ich hatte immer die Hoffnung, dass ich befreit werde und der Krieg zu Ende geht, damit ich wieder nach Hause gehen kann. Dass ich meine Familie nie mehr wiedersehen werde, wusste ich damals nicht.