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Ein etwas anderes Zeitzeugengespräch: Besuch von Familie Jessel

Am Mittwoch, den 13. Juli 2022 haben sich im Alois Eckert Saal von St. Bernhard die Musterschüler:innen der Qualifikationsphase zu einem Gespräch mit den Kindern von Walter Jessel, einem ehemaligen Musterschüler zusammengefunden.

Nachdem der Schulleiter, Stefan Langsdorf, die Gäste, Peggy und Alfred Jessel, Margrit Frölich, Studienleiterin für Film, Wirtschaft und Transatlantischen Dialog, und Angelika Rieber, Leiterin des Projekts „Jüdisches Leben in Frankfurt“, begrüßt hatte, berichtete Alfred Jessel zunächst vom Werdegang seines Vaters.

Walter Jessel hatte 1931 an der Musterschule Abitur gemacht und emigrierte 1933 mit seiner Familie in die USA. Im Jahre 1945 kehrte er als amerikanischer Soldat zurück und interviewte seine ehemaligen Mitschüler zu den vergangenen 14 Jahren. Hierbei wollte er herausfinden, wie sie unmittelbar nach Kriegsende auf die Nazizeit blickten. Diese Gespräche hat er dokumentiert. Das Buch „Spurensuche 1945 – Ein jüdischer Emigrant befragt seine Abiturklasse“ ist 2020 im Fachholschulverlag, in der Übersetzung von Margrit Frölich, erschienen.

Die Schüler:innen hatten sich zuvor im Rahmen des Geschichtsunterrichts bei Frau Guttmann, Herrn Häckel, Herrn Kaiser und  Frau Piller mit diesem Werk auseinandergesetzt und konnten die Gelegenheit zum Austausch nutzen. Dabei stellten zum Teil auch sehr persönliche Fragen, z.B. zum Charakter von Walter Jessel, den Familienwerten der Jessels und deren Blick auf die einstige Heimat Deutschland. Die Geschwister Jessel sowie Frau Margrit Frölich standen offenherzig und sachkundig Rede und Antwort.

Abschließend stand in der Podiumsdiskussion das Fazit von Walter Jessel auf die von ihm erörterte Kernfrage im Vordergrund: „Hätten sich Angehörige anderer Nationen, wenn sie in dieselbe Situation gebracht worden wären, wie die Deutschen während des Hitlerregimes, genauso verhalten?“.

Walter Jessel schrieb hierzu: „Gleichgültigkeit, Gesinnungslumperei und Mangel an Zivilcourage, die in unterschiedlichem Ausmaß bei der Mehrheit der Menschen anzutreffen sind, [sind] die Wurzel ihrer nationalen Misere.“

Das einstündige Gespräch in dieser großen Runde war eindrücklich. Da die unmittelbaren Zeitzeugen uns nicht mehr lange erhalten sein werden, ist es für die gelebte Erinnerungskultur von großer Bedeutung, wenn die Nachfahren in der Lage sind, die Familiengeschichten weiterzutragen und solche Momente der Begegnung zu ermöglichen. In diesem Fall war der direkte Bezug zu unserer Schule ein besonders verbindendes Element.

Wir danken Frau Peggy Jessel und Herrn Alfred Jessel sowie allen weiteren Beteiligten dafür, dass dieser Austausch stattfinden konnte.

„Spurensuche 1945 – Ein jüdischer Emigrant befragt seine Abiturklasse“ ist unter den vielen wertvollen Sachbüchern zur NS-Diktatur einzigartig.

~ Nora Scholz

 

 

 

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