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Studienfahrt nach Auschwitz oder „Der Versuch, das Unfassbare in Worte zu fassen“

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Am Mittwochabend, dem 01.07.15 standen wir, eine Gruppe von 25 Mädchen und Jungen aus der Q2, am Hauptfriedhof in Frankfurt, alle etwas nervös und unsicher, was uns erwartete. Um kurz nach acht fuhren wir schließlich los auf eine erstaunlich ruhige und ziemlich lange Nachtfahrt. Mehr oder weniger ausgeschlafen, kamen wir dann in der Jugendherberge Oswiecim an, wenn auch nicht um acht Uhr morgens wie geplant, sondern um halb zehn. Dort bekamen wir sogleich ein reichhaltiges Frühstück, bezogen unsere Zimmer und machten uns dann ziemlich direkt auf den Weg zu unserer ersten Herausforderung: Der Führung durch das Stammlager I. Das Stammlager I ist das älteste Lager des Auschwitz-Komplexes, der aus Auschwitz Stammlager I, Auschwitz-Birkenau und Monowitz besteht. Die heutige Gedenkstätte befindet sich auf dem Areal von Stammlager 1 und Birkenau.
Die Führung durch das Stammlager war nicht nur lehrreich, sondern auch hochemotional. Viele von uns waren erschüttert. Das Schicksal der 1,5 Millionen Juden, die in Auschwitz einen vollkommen ungerechtfertigten und qualvollen Tod erlitten, wurde uns durch die Ausstellungen und die simple Tatsache, dass wir uns am selben Ort befanden, bewusst und intensivierte diese Erfahrung zusätzlich. In der abendlichen Reflexionsrunde stellten wir fest, dass viele vor allem von den den Häftlingen gewaltsam abgenommenen Gegenständen, wie Töpfe, Schuhe, Koffer, Brillen und besonders schockierend, Haare, erschreckt und überwältigt waren. Aber auch die von Kindern im KZ an Wänden hinterlassen Zeichnungen, welche das Leid im Lager auf eine unschuldige und doch unglaublich erschütternde Weise festhielten, blieben in unserem Gedächtnis haften. Wir sahen auch die Gaskammer und das Krematorium, genauso wie die Dunkelzellen und die Baracken.Wir lernten, dass das richtige Wort für dieses uns immer grausamer und unvorstellbare Ereignis Holocaust oder auch das hebräische Wort Shoa ist. Dieses „Nicht-Verstehen-Können“ war eine Erfahrung, die wir nicht erwartet hatten und doch alle teilten und sie ließ uns unglaublich hilflos fühlen.
Es ist unmöglich, sich in diesem Kontext nicht zu fragen, was man selber tun würde und was die Gesellschaft heute tun würde, genauso wie die Frage, wie Menschen zu solchen Gräueltaten fähig sein können. Da wir glücklicherweise unsere abendliche Gesprächsrunde hatten, konnten diese Fragen ausführlich diskutiert und Gefühle und Eindrücke geteilt werden. Frau Lau und Herr Smiraglia erwiesen sich hier als sehr kompetent und hilfreich und auch hierdurch konnten wir mit den Erfahrungen des Tages besser fertig werden, auch wenn sie immer noch unglaublich, schrecklich und absolut unverständlich schienen.
Aber es gab natürlich nicht nur ernste Gesprächsrunden, sondern auch ausgelassene Plaudereien, Tischtennis und Gesellschaftsspiele bis wir schließlich, ziemlich erschöpft von einem sowohl körperlich als auch mental fordernden Tag, ins Bett fielen.
Am nächsten Morgen standen wir alle um acht beim Frühstück. Kurz darauf winkte auch gleich die zweite Führung. Selber Guide, anderes Lager. In Buchenwald wurde uns die Massenvernichtungsmaschinerie der Nationalsozialisten vor Augen geführt. Birkenau war nicht nur größer, sondern auch viel mehr auf das systematische Töten der Menschen in den Gaskammern und Krematorien ausgerichtet. Ein besonders perfides Detail: Die Häftlinge waren gezwungen ihr eigenes zukünftiges Gefängnis zu errichten. Wir sahen Teiche, die voller Menschenasche waren, abgebrannte Krematorien, Baracken, in denen vermutlich Hunderte von Menschen gestorben waren. Im Gegensatz zum Stammlager war Birkenau weniger ein Museum als ein Ort, der in der Zeit stehengeblieben war und uns die Möglichkeit gab, ein bisschen näher an damals heranzukommen.
Dennoch stellten wir, mal wieder in der abendlichen Gesprächsrunde fest, dass es unmöglich war, sich das unermessliche Leid und die Qual der Menschen vorzustellen. Eine Erkenntnis mit der wir uns auch erst einmal auseinandersetzen mussten.
Aber noch sind wir nicht am Abend, sondern beim Nachmittag. Am Nachmittag hatten wir in der Jugendherberge einen Workshop zum Thema Kinder über den Holocaust. Wir bekamen verschiedene Biographien von Kindern, die auf unglaubliche Weise diese schreckliche Zeit überlebten. Alles in allem war der Workshop hochinteressant, allerdings war es relativ schwierig sich zu konzentrieren, nachdem wir schon am Vormittag so viel Input erhalten hatten. Unsere Erfahrung in der Jugendherberge war auch vollkommen positiv, das Essen war absolut essbar (was nicht immer der Fall ist) und die Zimmer gut eingerichtet.
Am letzten Tag ging es für uns dann noch einmal in das Stammlager I. Dieses Mal durften wir uns frei bewegen und uns die Länderausstellungen angucken. Diese schilderten das Schicksal der verfolgten und deportierten Juden in den einzelnen Ländern, wie zum Beispiel der Ukraine, Frankreich, Ungarn oder der Niederlande. Persönlich fanden wir vor allem die ungarische und die französische Ausstellung beeindruckend. Am Nachmittag folgte ein zweiter Workshop. In diesem arbeiteten wir mit Original-Fotos aus den KZs, beurteilten ihre Glaubwürdigkeit und Aussagekraft. Auch dies geschah wieder in Gruppenarbeit und die Ergebnisse wurden am Ende der ganzen Gruppe vorgestellt.
Nach einem frühen Abendessen ging es dann auch wieder zurück. Im Bus wurde die Stimmung richtig gut. Es wurden allseits bekannte Lieder von „Der Mond ist aufgegangen“ über „We will rock you“ bis hin zu „Schwarz zu Blau“ durch gesungen. Dieses Erlebnis zeigt vielleicht am eindringlichsten, wie sehr unsere Gruppe in dieser kurzen, intensiven Zeit zusammengewachsen war. Wir hatten zusammen geweint und uns zusammen der Herausforderung Auschwitz gestellt und sie gemeistert. Auch wenn ein völliges Verstehen für uns wahrscheinlich nie möglich sein wird, haben wir doch einen großen Schritt in diese Richtung getan.

Jeremy Häring und Anna Schleicher, Q2

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