Seit Januar 2021 steht der Musterschule endlich wieder ihr Erweiterungsbau zur Verfügung und die Baustelle, die uns länger begleitete als gehofft oder geplant, ist jetzt zum Glück Geschichte!
Herausforderung baulicher Natur..
.. dieser Text entstand im Sommer 2018
Wer die derzeitigen baulichen Maßnahmen an der Musterschule für eine Herausforderung hält, der weiß nicht, welche Strapazen die Musterschule in dieser Hinsicht bereits gemeistert hat!
Selbst wenn all die vielen Umzüge, Umbauten, Anbauten, Renovierungen und Sanierungen, die die Musterschule in ihren nun 215 Jahren zwischen 1803 und 2018 gemeistert hat und die in den Festschriften beschrieben sind, hier unbeachtet bleiben sollen, sicherlich war doch keine Zeit so herausfordernd wie die Nachkriegsjahre.
Die Jahresberichte der Schule von 1944 bis weit in die 1950er Jahre hinein zeichnen ein eindingliches Bild der Hypothek des Krieges. Der Bericht für das Schuljahr 1944/45 hält fest, dass durch die Fliegerangriffe vom 04.10.1943, 20.12.1943, 18.3.1944 und 25.9.1944 die Obergeschosse und damit (wie es auch heute der Fall wäre) die Aula, die Kunsträume sowie die Chemie- und Biologieräume sowie der Haupteingang völlig zerstört waren. Die Klassen der Mittelstufe wurden daher nach Gedern evakueiert. Die meisten Schüler der Oberstufe waren hingegen bereits seit Februar 1943 als Flak-Helfer eingezogen, der in den sogenannten Flak-Batterien erteilte Unterricht durch eine Handvoll Musterlehrkräfte litt zunehmden unter der Häufung der Fliegeralarme und Angriffe, bis der Unterricht schließlich ganz eingstellt wurde, als dieLehrkräfte bei Schanzarbeiten eingesetzt wurden, bzw. im Feb 1945 zum Volksturm eingezogen wurden. Unterrichtlich für die letzten, noch nicht eingezogenen oder wieder entlassenen Schüler verschiedener Frankfurter Oberschulen erfolgte seit Oktober 1944 in einer altersgemischten Sonderklasse in Sachsenhausen.
Nach Kriegsende berichtet der Schulleiter der Musterschule im Jahresbericht 1945/46, dass zur Zeit der britischen Besatzung Frankfurts die Schule unter Einbrüchen, Diebstählen und Plünderungen zu leiden hatten, da das Gebäude nicht ausreichend gesichert werden konnte. Erst am 7. Januar 1946 konnte mit dem Unterricht in der Musterschule wieder begonnen werden, obgleich die Oberstufenschüler, die nun von Flakdiensten und zum Teil aus Kriegsgefangenschaft zurückkehrten erneut in einem Sonderkurs („Reifekurs“) mitsamt einer zuständigen Lehrkraft an die Liebigschule ausgelagert wurden. Auch der nach und nach wieder aufgenommene Unterricht der Klassen 10 (ab 28.1.), 9 (ab 12.2.), 8 (21.2.), 7 und 6 (25.3.) zunächst ebenfalls an der Liebigschule stattfindet. Erst die Ostern 1946 (20.5.) neu aufgenommenen 5. Klassen werden wieder direkt an der Musterschule unterrichtet, die Klassen 6-9 werden nach den Sommerferien wieder dazugeholt.
Das Gebäude ist aber nach wie vor in einem katastrophalen Zustand. Da die Schule auch kein Dach mehr hat, ist das zerstörte Obergeschoss Regen und Tauwetter ausgeliefert, die Nässe läuft und sickert auch in die unteren Gebäudeteile.
Zudem muss das beschädigte Gebäude mit zwei anderen Schulen, die insg. 10 Räume belegen, und zwei städtischen Ämtern, die ebenfalls vier Räume beanspruchen, geteilt werden. Für den Unterricht der Musterschule stehen somit nur 4 Räumen, keine Schulbücher und nur 7 Lehrer für die insgesamt 232 Schüler in sieben Klassen zur Verfügung. Zum Schuljahr 1947 erwartet man zwei zusätzliche Klassen.
Obwohl in vielen Fächern – Chemie, Musik, Kunst und Sport wegen der fehlenden Fachräum sowie Religion wegen fehlendem Personals – gar kein Unterricht erteilt werden kann, wird ganztägig Unterricht erteilt, um alles in den wenigen Räumen zu bewerkstelligen. Der Wiederaufbau kommt nur langsam voran.
Auch ein Zeitungsartikel von 19.1.1950 zeigt einerseits die desolate Situation der Schule und zugleich den Tatendrang und Kampfgeist der Musterschulgemeinde, den Wiederaufbau zu bewältigten!
Noch Anfang der 1950er, als die Musterschule nun endlich wieder alleine im eigenen Haus ist, sind noch nicht alle Räume wiederhergestellt. Der Schulleiter klagt im Jahresbericht 1950/51 über die deshalb herrschende mangelnde Raumdisziplin bei den Schülern, da der Unterrichtsraum aus organisatorischen Gründen mehrfach am Tag gewechselt würde. Weitere Maßnahen für das kommenden Jahr seien zugesagt, darunter aber noch nicht die Wiederherstellung der Aula – wichtig für das 150jährige Jubiläum 1953 – also lässt man nichts unversucht!
Die Festschrift vermerkt am 18.4.1953 folgerichtig und stolz, dass das Schulhaus „im großen und ganzen wiederhergetsellt“ sei und die Schulgemeinde „in der neuen Aula [nun wieder] einen festlichen Versammlungsraum“ habe!
Auch wenn eine Sanierung lästig und aufwendig, der Unterricht in Containern nicht immer schön ist – solche Zustände wie 1945-53 muss die Musterschulgemeinde von heute zum Glück nicht mehr erdulden! Die Neubausanierung schaffen wir jetzt auch noch!