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Studienfahrt Q3 Gedenkstätte Hadamar

 

Die Führung endete am Denkmal der Grauen Busse – in diesen wurden damals die Opfer nach Hadamar gebracht.

Der Nationalsozialismus ist eines der zentralen Themen des Curriculums im Geschichtsunterricht der Qualifikationsphase. Aus diesem Grund unternehmen die Schülerinnen und Schüler der Q3 an der Musterschule zu Beginn des Schuljahrs eine Studienfahrt zur Euthanasie-Gedenkstätte in Hadamar, die integraler Teil des Geschichtsunterrichts ist. So auch in diesem Jahr.

Am 9. August nahmen wir vor Ort an einer Führung teil, geleitet von einem Mitarbeiter der Gedenkstätte, der sich drei Stunden Zeit nahm, um uns die geschichtlichen Hintergründe nahezubringen, sowie die ethischen und emotionalen Fragen zu diskutieren, die dadurch aufgeworfen wurden.

Bereits die grundlegenden Fakten erschütterten uns: 15.000 Menschen starben alleine in Hadamar als Opfer der NS-„Euthanasie“. Noch erschütternderer war die Tatsache, dass Hadamar dabei nur eine von sechs Tötungsanstalten war. Diese sechs Anstalten waren Teil der sogenannten T4-Aktion, auch bekannt als Euthanasie-Programm.

Die Grundlage dafür stellte das „Gesetz zur Verhinderung erbkranken Nachwuchses“, de fakto ein Zwangssterilisationsgesetz, vom Juli 1933 dar, welches auf der Idee beruhte, dass körperlich behinderte sowie psychisch kranke Menschen nicht der Rassenideologie der Nationalsozialisten entsprachen, sich nicht fortpflanzen sollten, und somit als „lebensunwert“ eingestuft wurden. Schon der Anwendung dieses Gesetzes fielen 400.000 Menschen zum Opfer, die zwangssterilisiert wurden. Nach Kriegsende erhielten sie keine Entschädigung, da sie nicht unmittelbar als NS-Opfer anerkannt wurden, sondern die zugrundeliegende Idee dem Zeitgeist zugesprochen wurde. Gezielte und umfangreiche Propaganda sollte die Bevölkerung darüber hinaus davon überzeugen, dass Kranke eine Last für die Gesellschaft darstellten, vor allem finanziell.

Die „Euthanasie“- bzw. Tötungsanstalt in Hadamar beruhte auf einem System, in dem eher willkürlich beschlossen wurde, wer zur Sterben hatte und wer leben durfte. Die Zentrale in Berlin verschickt dazu an alle Anstalten, Krankenhäuser und Kurhäuser Meldebögen, auf dem der Zustand der Patienten formelhaft beschrieben werden sollte. Diese Bögen dienten wiederum als Grundlage für die Entscheidung in Berlin, wer zu sterben hatte. Arbeitsunfähigkeit, wenig Besuch oder fehlende Aussichten auf Genesung waren für viele Menschen das Todesurteil. Hadamar war ihre Endstation. Jedoch wurde Hadamar nur über mehrere Umwege angefahren: jeder Tötungsanstalt wurde ein Einzugsbereich zugeordnet, in denen sich jeweils mehrere Zwischenanstalten für die Betroffenen befanden, wohin die Patienten zunächst verlegt wurden – in der Regel weit weg von den Angehörigen. Dies diente einerseits zur Verschleierung der Morde und erleichterte andererseits die kontrollierte und systematische Exekution.

Das Euthanasieprogramm lässt sich in zwei Phasen unterteilen. Der systematische Massenmord der ersten Phase folgte einem festen Schema, welches während des gesamten NS-Regimes in perfider „Perfektion“ ausgeführt wurde. Unmittelbar nach ihrer Ankunft in Hadamar wurden täglich zwischen 30-70 Menschen in einer Gaskammer getötet und in einem auf Effizienz ausgelegten Krematorium verbrannt.

Zur Umstellung, und damit zur zweiten Phase kam es, weil der Tag und Nacht aufsteigende Rauch des Krematoriums zu immer mehr Beschwerden aus der Bevölkerung führte und das Programm immer mehr Aufmerksamkeit auf sich zog (z.B. Predigten). Aufgrund dessen wurde die T4-Aktion offiziell eingestellt. Die Ermordung körperlich und geistiger Behinderter hörte jedoch nicht auf, sondern wurde nach einem Jahr in veränderte Form wieder aufgenommen. Die Patienten wurden nun in Hadamar untergebracht und nach und nach mittels Medikamentenüberdosis ermordet oder gezielt verhungern lassen. Die in der Anstalt tätigen Ärzte und Krankenpfleger arbeiteten oft aus ideologischer Überzeugung, was auch in späteren Gerichtsverfahren deutlich wurde.

Vor allem mitgenommen hat uns die Führung durch den Keller des Gebäudes. Dort waren sowohl die Gaskammer als auch noch die Reste des Krematoriums sowie die Seziertische zu sehen, und man bekam eine, wenn auch nur vage, Vorstellung des dort erlittenen menschlichen Leidens und Grauens.

Die nachdenkliche und persönliche Herangehensweise ‚unseres’ Workshopleiters hat uns zum Nachdenken angeregt und auch unser Bewusstsein für den Umgang mit der NS-Zeit geschärft. In Diskussionen stellten wir viele Bezüge zur unserer heutigen Gesellschaft her, so beschäftigten wir uns zum Beispiel mit der Frage, ob nicht auch in unserer heutigen Gesellschaft die Ideen der Eugenik (zu) präsent sind? Des Weiteren beschäftigte uns die Frage, ab wann man als Täter betrachtet werden kann? Könnte oder sollte man nicht eigentlich auch die Busfahrer zur Rechenschaft ziehen, die die Opfer in die Tötungsanstalten fuhren, oder sind nur die Ärzte schuldig, die den letzten (Gas-)Hahn betätigten, um die Morde zu vollziehen?

Weitere Parallelen zogen wir zur aktuellen politischen Fragen und Krisen, wie der Flüchtlingskrise. Wir konnten feststellen, dass das Bild, das in vielen Ländern von den Flüchtlingen vermittelt wird – zum Beispiel, dass sie vermeintlich eine große finanzielle Belastung für die Gesellschaft darstellen – ein sehr ähnliches Bild ist, wie das, welches damals von den Euthanasie-Opfern vermittelt wurde. Es ist wichtig, solche Bezüge herzustellen und sich ihrer bewusst zu sein, so dass die Vergangenheit vergangen bleibt und ähnliches Grauen in Zukunft verhindert wird.

Abschließend halten wir fest, dass dieser aufschlussreiche Tag allen Schülerinnen und Schülern eindrücklich in Erinnerungen bleiben wird.

~ Olivia Kaiser & Luis Diel (LK Geschichte, Q3)

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